Die beiden Straßen (2001)

Die beiden Straßen

Angenommen, es gäbe eine Stadt, in der zwei Straßen so angeordnet sind, daß sie dem Betrachter in ihrer Richtung identisch erschienen, so wäre es naheliegend zu behaupten, daß ein Jemand, der über keinerlei Ortskenntnis verfügt (zum Beispiel ein Fremder), es als unerheblich ansähe, welche der beiden Straßen er begeht. Er geht nun also, in der festen Absicht sein Ziel zu erreichen. Er geht und geht, und unter den genannten Voraussetzungen könnte sich seine Ahnungslosigkeit nur dann signifikant auf das Geschehen auswirken, wenn sich die beiden Straßen keinesfalls so symmetrisch zueinander verhielten, wie es den Anschein hat. Es kann tatsächlich schon eine unauffällige Divergenz in ihrer geographischen Ausrichtung dazu geführt haben, daß der Fremde sich ganz plötzlich an einem Punkt wiederfindet, der mit seinem eigentlichen Ziel nicht mehr gemein hat als ein Mensch mit dem umherirrenden Gespenst seiner selbst. Nun, man könnte sagen, daß die Unterschiede nicht so gewaltig wären, es gäbe sicher Querstraßen hier und dort, Kreuzungen, Verkehrsschilder, vielleicht auch die ein oder andere Merkwürdigkeit, der Abdruck eines Stöckelschuhs im glitzernden Teer. Und natürlich: wie fast überall gäbe es Wolken. Es fiele also sehr schwer zu bestimmen, ob ein tieferer Grund für das Fehl – Gehen vorliegt, oder ob sich der Fremde einfach heillos verrannt hat. In Anbetracht der geographischen Ungenauigkeit der Angaben könnte eine erhellende Frage also nur in etwa so lauten: Ist das nun ein Mensch oder nur ein ruheloser Geist, der sich nach einem ewig gleichen Muster in diesen Straßen bewegt? Und wenn es ein Mensch ist, warum benimmt er sich so komisch, hin und her, her und hin laufend, immerzu eine kleine Melodie pfeifend, die achatfarbenen Augen zusammengekniffen, da die Weiße des Schnees ihn blendet?
Ist das ein Pfeifen, das vom sanften, pneumatischen Versinken eines Stiefelpaares unterlegt wird? Es ist ein dahintreibendes Echo, welches verhallt, nur um nach kurzem Mäandern durch die Schallzonen der Hauseinfahrten, nunmehr vollgesogen mit nutzloser Weite, zu seinem Ursprung zurückzukehren. Dieser Ursprung bewegt sich mit einem aufreizenden Mangel an Identität immer entlang der beiden Straßen, vorsichtig und konzentriert, als könne jeder seiner Schritte, seien sie nur kräftig genug ausgeführt, den Traum seiner Erscheinung zerstören. Nennen wir das ganze zusammen mal „Alexander – Sommer – Sein“ , aus Gründen, die hier darzulegen sind.
Jenes „Alexander-Sommer-Sein“ zumindest, das den Geist im Augenblick gleichsam umschließt, löst im Betrachter Unbehagen aus, ein kurzes Verschwinden der Konturen hinter emanierenden, elektrischen Ladungen, bevor andere Gedanken ins Bewußtsein drängen. Dennoch: das Unbehagen über-, unterströmt den Außenstehenden pausenlos- durch Gerüche, so subtil wie eine selten gewechselte Unterhose, so vielfältig wie eine Giftmülldeponie, Gerüche, die einem physischen Druck auf den Magen gleichen. Der Betrachter sollte sich hier trotz der Widerstände kurz besinnen. Woher kenne ich dieses Gesicht bloß? Ist es nicht vielleicht doch ein bißchen berühmt? Zwei gute Fragen. Die Erinnerung liegt tief vergraben im Muff einer großen Schwester oder Cousine, denen man nicht oft Gelegenheit hatte, gute Fragen zu stellen. Sollte man solcher Fragen traditionell ermangeln oder nie eine große Schwester gehabt haben, tut es bisweilen aber auch etwas durchaus Triviales. Was würde das Alexander- Sommer – Sein zum Beispiel auf die Frage: „Wie geht es ihnen?“ antworten? Würde es sagen: „Danke, sehr gut“, oder würde es sagen: „Ich habe alles erreicht.“ Oder spräche man es, todesmutig, auf seine Zunge an: „Wenn sie heute die Wahl hätten zwischen Fuß und Zunge, wofür…“ Nun, es ginge diesmal wohl leicht über die Lippen, die Frage wäre gut aufgehoben im ewig gleichen Gepfeife, das die frische Winterluft verunstaltet. Hypothetisch gesprochen, würde das Alexander – Sommer – Sein die Frage vermutlich nicht einmal als solche wahrnehmen, sondern nur das leichte Zittern einer sich logisch gebärdenden Sprache. Vermutlich türmten sich ihm die Erinnerungen wie Eisberge, von Zeit zu Zeit, denn im Grunde des Alexander- Sommer- Herzens ist ja noch immer Wärme, würden ein paar Brocken abfallen, nach außen drängen und den Fragenden grausam zurichten:
„Sch-sch-sch-sch-sch!“
Im Café spricht man vom Erfolg seines Lebens wie von einem sündigen Eisbecher. Jetzt und hier nehmen wir Abschied von dieser stilvoll verrutschten Erdbeere, von dieser leicht zerdrückten Schlagsahne, den verflüssigten Stracchiatella- Eiskugeln, diesem rot-weiß gesprenkeltem Strohhalm…ja, ja, Stroh und Halm, das sagte ich doch. Hört hier denn niemand zu? Denkt ihr immer nur an das Mädchen mit den goldbraunen Haaren oder an das Mädchen in den engen Jeans? Nicht so bescheiden! In den Liedern des Alexander Sommer gibt es zwei davon für jeden! Also Ex, und wenn ihr wollt, auch Hopp, meine Freunde, wir sehen uns nie wieder so jung wie heute!
Es fiel den Anwesenden schwer, nicht an der Legende mitzustricken, wie es so oft geschieht, wenn die Nachgeborenen nur Bruchstücke in ihren Händen halten, aber dennoch glauben zu verstehen wie die Evolution des Inneren verlaufen ist. Nach geraumer Zeit, denn es wurde allen zu anstrengend, so gescheit zu reden, ging man aber doch zum Alltag über: zu seiner staunenswerten Kollektion bescheuerter Hüte, den dreimal gelifteten Schmalz, den er nicht mehr singen kann (nur STUMPFE Töne), den Hausfrauen, die ihm einst zu Füßen lagen, und ihren ausgestopften Männern, die sich erst an ihre Stellvertreterfunktion gewöhnen mußten, aber sich dann doch sagten, was für ein netter Kerl, speziell, als das mit seiner Zunge passierte, allesamt inzwischen ranzig wie ihr Idol, wenn sie es nicht schon immer waren. Das Alexander- Sommer – Sein umfaßt, darüber sind sich alle einig, eine wirkliche Vergangenheit, eine Lebensgeschichte, die aus lauter schlechten Nachrichten besteht, so man nach einer Wirkung urteilen kann, die nur hinter der Glaswand der Nachgeborenen tatsächlich eine Wirkung ist. Was man also sieht, wird zu einer Frage der Mentalität: Manche sehen die unsagbar seichten Musikrevue- Shows, Pomade im Haar, eine Grätsch-Gitarre, die kurz unterhalb der Brust hängt und nicht zu hören ist, dafür viel scha-la-la, das Gesicht vom Weichzeichner eines irregewordenen Kameramanns umspült; manche sehen das gloriose Scheitern der Bemühungen um Seriösität, damals in den 70ern oder vielmehr die Schlagzeilen darüber. Es wäre vielleicht an der Zeit, eine Biographie zu schreiben, denn es gibt insbesondere über diesen „Rückzug“ im Jahre ’71 viel zu spekulieren, aber das würde diesem vor sich hin pfeifenden Ding nicht gerecht werden, jedenfalls nicht, solange es noch lebt. (Folgendes sagte Alexander Sommer ’75 in seinem letzten Interview: „Das Grauen! Wo deine Urteile zersplittern wie tiefgefrorene, menschliche Körper. Du bist der Mann, der splitternackt tagelang durch die Straßen läuft, eine einzige gute Seele zu finden, dabei verfolgt von Wölfen und aufgespießt von der offiziellen Weisung, jegliche Suche einzustellen.“ Alle schauten sehr betroffen, aber es ist ein dreiviertel Zitat.) Es wäre sicher eine kurzweilige Sache, sich diesen Mann im Detail anzuschauen, in Scheiben geschnitten sozusagen. Wenn man es sich jedoch zur Aufgabe gemacht hat, dem allem eine Definition überzustülpen, ist eine andere Sprache geboten: eine ganz und gar jenseitige.

Es ist die Nacht des 12. Januars 1970. Im Krankenhaus der Stadt besucht der Schlagersänger Alexander Sommer seinen Haus- und Hofkomponisten Siegfried Steiger, Zimmer 107, wo noch die Leiter eines Technikers herumsteht, der eine Glühbirne repariert hat. Sommer hatte sie einen Tag zuvor vor Wut zerdroschen, als er erfuhr, im Testament Steigers nicht berücksichtigt worden zu sein. Die beiden waren mal ein Paar, zur Zeit des gemeinsamen BWL – Studiums. Als der Erfolg einsetzte, lebten sie sich auseinander. Fast war es so, als trüge der eine die Verfehlungen des anderen, denn es war keineswegs Siegfried, dessen Lebensstil als ruinös bezeichnet werden konnte. Dennoch erwischte ihn der Krebs und nicht seinen „Strahlemann“ Sommer, wie er ihn nannte. Und so muß er noch an seinem letzten Tag feststellen, daß sein Partner keinen Tag zu altern scheint.
– Ich wünschte, du würdest hier liegen…die täglichen Henkersmahlzeiten, während deine schönen, braunen Haaren dir büschelweise vor die Füße fallen.
Nach wie vor stimmt die Chemie zwischen beiden, die Geldmaschine rollt ohne Pause. Von „Der letzte Tambour“, „Wenn du bei mir bist“ und „Paola“ wurden jeweils etwas mehr als 100.000 Platten abgesetzt, die Tournee ist ein Hit und leise Gerüchte über Alexander Sommers sexuelle Orientierung sind von der Plattenfirma im Keim erstickt worden.
Naja, du warst nicht gerade das, was man einen guten Freund nennt. Ein elender Halunke warst du, das trifft es eher.
Beide lachen, der eine schwerfällig mit dem Gewicht des Todes auf seiner Brust, der andere, um kein Spielverderber zu sein.
Aber ich bin noch nicht fertig mit dir.
Steiger zieht das Gesicht des anderen zu sich herunter.
Tu mir einen Gefallen. Der erste und einzige Gefallen, um den ich dich bitte…Es gibt ein Lied, das du für mich singen sollst. Es hat nichts zu tun mit dem, womit du, oder WIR, hahaha, reich geworden sind. Es ist ein RICHTIGES Lied.
Sommer sieht ihn mißbilligend an. Es fällt ihm noch immer schwer zu akzeptieren, daß die Welt der Schlagersänger -laut einer populären Theorie- aus dem Seelenmüll anderer Leute konstruiert sein soll. Er hat die Beatles gehört, von denen alle sagen, das wären ernsthafte Burschen, aber die Unterschiede waren nicht so gewaltig für seine Ohren. Warum soll „Bleibe bei mir heut‘ nacht“ Schund sein und „All you need is love“ das einzig Wahre, denkt er sich oft in besinnlichen Momenten. Man kann sich vorstellen, daß ihm die Ausführungen der Musikwissenschaftler herzlich wenig dabei helfen, diese Frage zu beantworten.
Vor vier Jahren kam das Lied zu mir, so wie ein Spatz, der sich auf der Schulter niederläßt, sagt Steiger, ich lief allein durch die Straßen, eine einzige gute Seele zu finden.
Wie eine Bekannte Steigers, die nicht genannt werden will, erzählte, war er gleich, nachdem diese seltsame Schulter- Empfängnis erfolgt war, nach Hause geeilt und hatte das Lied in dreißig Minuten zu Papier gebracht. Es bestand lediglich aus einer Reihung harmloser kleiner Kadenzen, ein Dreivierteltakter in Moll, Moll in alternierender Bewegung zur Dominanten, das sich nach acht Takten auflöst in einem Dur- Vorhalt, welcher wiederum nach zwei Takten abfällt, um in einem sinnlichen Septakkord zu enden, währenddessen die Melodie ganz monoton in Sekundbewegungen darüber hinwegschwebt. Der Gesamteindruck hatte Steiger richtig umgehauen. Die Melodie paßte zwar auf keinen leichtsitzenden Liebesschwur aus seinem Notizheft, aber Liebe war darin dennoch gegenwärtig, ein physisches Begehren, sich auf der Erde umherzuwälzen, Regen auf sich niederprasseln zu lassen oder einen übermütigen Radschlag zu vollführen. In diesem Sinn begann er zu texten, den ganzen Nachmittag über bis in den Abend hinein. Befriedigt von seinem Tagwerk, nennt er es: „Das Lied der Emigranten“

Man sieht ihn jeden Tag am Hafen
Wartend, daß sein Schiff ausläuft
Über’n gewaltigen Ozean
Zu Schätzen, im Mondlicht gehäuft
Die Brüder wünschen ihm gutes Wetter
Er umarmt sie voll Zärtlichkeit
Hinterlassend die Zahl seiner Freunde
Und die Mutter, die hemmungslos weint

Und wie nun das Schiff sich vom Ufer
Bewegt und den Hafen verläßt
Schaut er zurück zum Vergang’nen
Den Körper an die Reeling gepreßt
Doch die Ketten sind längst aufgebrochen
Und er fühlt sich so unbeschwert
Die Küste verliert sich im Fernen
Darauf wartend, daß er wiederkehrt

Was ist das für ein Lied ?, fragt Sommer.
Er ist ungeduldig geworden ob dieser endlosen Geheimniskrämerei, nur eben fest entschlossen zu singen, was immer man von ihm verlangt zu singen, aber am Abend –und das allein ist wichtig- hat er einen Radiotermin, um für seine neue Platte zu werben. Niemand weiß besser als ein Schlagersänger, daß das Leben weitergehen muß.
Du findest die Noten in deinem Briefkasten…Und noch eins: Mach es richtig…für mich.
Versprochen.

Und Alexander Sommer hatte noch nie irgend jemandem etwas versprochen.
Die Plattenfirma war nicht gerade begeistert, als Alexander Sommer dieses eine Lied UNBEDINGT aufnehmen wollte, und als sie hörten, daß er eigens für diese eine Aufnahme ein halbes Sinfonieorchester herankarren ließ, flippten sie völlig aus. „Was glaubst der, wer er ist?“, hieß es in der Chefetage, „Enrico Caruso?“, und noch bevor auch nur ein Ton gespielt worden war, war es ein geflügeltes Wort geworden: „Unser Caruso nimmt heute sein Meisterwerk auf.“
Alexander Sommer ist an diesem Tag so weit weg von jeder Aufregung, daß er nur durch die Unterstützung der Studio- Sekretärinnen Peggy und Marleen (goldbraune Haare; enge Jeans) den Weg in den Aufnahmeraum findet, wobei Weg hier nicht mehr als einen langen, geraden Gang von A nach B meint, vielleicht anderthalb Meter breit. Bösartige Zungen behaupten noch heute, er war bis zum Anschlag voll mit Beruhigungsmitteln. Musiker, die dabei waren, bestätigen, daß seine Hand sich schlaff anfühlte, wie etwas Totes.
Die Aufnahmen verliefen dementsprechend reibungslos. Wenn man sich heute „Das Lied der Emigranten“ anhört, mit dem Wissen um Alexander Sommers damalige Verfassung, wird die gespenstische Ruhe, mit der die Zeilen gesungen sind, zumindest erklärlich. Dennoch läßt sich diese Ruhe nicht allein auf Drogen zurückführen. Da ist noch etwas anderes, das weder Sommer noch Juri Morte, der die Aufnahmen damals leitete, beabsichtigt haben konnte. Etwas, schwer zu greifen wie diese Hand, in der kein Knochen mehr fühlbar ist; vielleicht Vorausahnung, Vorwegnahme; hmm…also kurz und so dumm wie das klingt- der Übergriff des Zukünftigen auf den Augenblick. In der Kaste der Metaphysiker sagt man wohl so: Es schwingt das Pendel der Zeit, und du solltest nicht so blöd sein, deinen Kopf ins Räderwerk zu stecken.
Aber genau das ist wohl passiert damals. Das Räderwerk der Zeit geriet ins Stocken, abgebremst von einem harten Gegenstand, den man als das Gesicht eines Schlagersängers identifizierte. In seinem letzten Interview im Jahre ’75 gibt Sommer zu, eine Menge privates Geld in die Aufnahme und Vermarktung des Liedes gesteckt zu haben. Kein Mensch wollte es nämlich kaufen. Vielleicht war die große Zeit des Schlagers einfach vorbei oder die bestimmte Art von Freiheit, von der da gesungen wurde, war nicht die Freiheit der Zielgruppe. Es war jedem ziemlich schnell klar, daß das Lied bis in alle Zeiten wie Blei in den Regalen liegen würde. Ziemlich verbittert darüber, weigerte sich Sommer, jemals wieder seine alten Hits zu singen, und wenn, dann nur für enge Freunde- und ohne Playback! Das war der Ruin, denn seine Stimme klang, um es höflich zu formulieren, in natura ziemlich gewöhnungsbedürfig. Es bleibt anzumerken, daß er einfach überschnappte. Ein Hund, der sich für einen Kanarienvogel hält, oder ein Kanarienvogel, der sich für eine Spieldose hält, oder was auch immer. Man kann aber ebenso richtig behaupten, er habe lediglich sein Verschwinden auf ziemlich eloquente Art und Weise beschleunigt. Eine nebulöse Angelegenheit, trotzdem.

Daß unser Stammtisch sich für Alexander Sommer zu interessieren begann, hatte dann auch einen ganz anderen Grund. Man muß ein wenig ausholen. Es gibt hier in der Stadt so einen Brauch. Oder Gesetz. Wer auch immer durch die beiden Straßen läuft und dabei einen Endpunkt erreicht, der muß ein Pfand hinterlassen, etwas, das den Nachfolgenden anzeigt, daß dieser Platz besetzt sei. Es gibt dort einen Mann, der auf einen wartet; der auf einen wartet, auch wenn man zögert (und die meisten Menschen zögern), und den man nur findet, indem man ihn sucht. Der Mann wird dich ein wenig verwirren, wenn du dort angelangt bist, wo sich die Straßen kreuzen. Er wird dich in amüsantem Ton fragen, ob Zunge oder Fuß dein Geschenk an die Welt sein soll. Seine makabren Scherze werden auch nicht von seinem schönen Aussehen aufgewogen. Der Mann ist nicht besonders schön, dennoch wird er einem früher oder später sympathisch sein, da er nichts versteckt, obwohl er selbst in einem Gefieder versteckt scheint, auf dem die Augen nur so zur Dekoration aufgenäht sind. Man sollte keine Angst haben, etwas verkehrt gemacht zu haben, es sind dies nicht Augen, die dich sehen könnten, deshalb weiß der Mann auch nichts von der Welt. Er weiß nur, daß sich jeder Fuß knapp über dem Boden befindet und jede Zunge in einem Mund. Und nun, da du ihm begegnet bist, wird er darauf warten, daß du ihm antwortest.
Und als Sommer nun bemerkt, daß er sich verlaufen hat, denn er gelangt auf einen anderen, breiteren Weg, mit dessen Erscheinen es augenblicklich zu schneien aufhört, (wenn es je geschneit hat), da erkennt er dort Steiger, der ihm schon ein ganzes Weilchen gefolgt ist.
Das schönste am Tag sind immer die Wolken, sagt Steiger, der dann anfügt, doch du bist schöner, dein volles, braunes Haar glänzt wie Morgentau, komm, die Welt hat auf dich gewartet.
Und Sommer, der nicht weiß, wie ihm geschieht, sagt
Ich möchte noch ein wenig gehen.
Gut, und der andere knipst kurz angebunden wie ein Fahrkartenkontrolleur und legt die Zunge weit sichtbar in den Schnee.
Wenn wir Nachgeborenen es uns an den Café- Tischchen ein wenig gemütlich gemacht haben, dann sprechen wir manchmal nicht nur von der Vergangenheit, sondern auch von der Wahrheit. Es ist nur eben so aus Langeweile. Wir stimmen darin überein, daß der Mensch seltsam genug ist, um ihm ein Denkmal zu setzen und so nennen wir, verborgen im widersprüchlichen Slang der Fußlosen, „das Alexander – Sommer – Vermächtnis“ alles uns Fremde; das da heißt, zu einem sprachlos wandernden Punkt inmitten der beiden Straßen geworden zu sein.